Klassissimo 2.0 - Schulteilhabe durch Avatare

Seit Herbst diesen Jahres sind bei uns zwei sogenannte Telepräsenzroboter im Einsatz. Damit lassen wir unser altbewährtes Projekt "Klassissimo" wieder aufleben. 

 

Kinder, die durch ihre Erkrankung oft wochen- oder sogar monatelang die Schule nicht besuchen dürfen, haben mit einem Avatar die Möglichkeit, über ein IPad oder einen Laptop aus der häuslichen Umgebung oder der Klinik heraus am Unterricht teilzuhaben. 

 

Der Avatar (Bild) steht im Klassenraum, bewegt sich mit einer optischen Linse zum jeweils Sprechenden und überträgt so, dass Unterrichtsgeschehen auf das Gerät des erkrankten Kindes. Das wiederum kann sich ebenfalls am Unterricht beteiligen, denn der Avatar gibt Sprachbeiträge über sein Mikrofon in der Klasse wieder. 

 

Lesen Sie im folgenden den Bericht von Klaus Janßen, dessen Tochter Mia den ersten Förderkreis-Avatar in Betrieb nehmen durfte. Ein wunderbares Beispiel, wie durch die Kooperation der Eltern, der Schule, der Sonderpädagogen der Kinderklinik und des Elternvereins Teilhabe wieder möglich wird.

 

„Als wir davon erfuhren, dass Mia für den ersten Einsatz des Förderkreis-Avatars ausgewählt wurde, waren wir gespannt, ob und wie es funktionieren würde. Wir fanden es toll, auf einem solch ungewöhnlichen und modernen Wege Mia wieder an ihre Klasse und die Mitarbeit im „normalen“ Schulunterricht heranzuführen. Als das Gerät dann eintraf, war die Spannung groß, doch zunächst schien der Avatar nichts anderes zu sein als eine schwenkbare Webcam mit Lautsprecher. Ob das wohl so ein großer Gewinn sein würde?

 

Dann war da noch das Thema Datenschutz, das aufgrund der Dreiecks-Beziehung zwischen Schule, Schulklasse und uns als Eltern eine kaum abbildbare Sondersituation darstellte. Doch schnell ließ sich beim Anbieter ein kompetenter Ansprechpartner finden; auch die Schule hat hierbei eine sehr konstruktive Rolle gespielt. So hat es erfreulicherweise nur wenige Tage gedauert, bis mit Blick auf den „Papierkram“ alles startklar war.

 

Auch in technischer Hinsicht verlief die Einrichtung unproblematisch. Glücklicherweise gab es in der Schule bereits in allen Klassenräumen WLAN-Router, denn damit funktionierte der Avatar problemlos, außerhalb der Klasse wird es im Gebäude allerdings schwieriger.

 

Anfang Februar haben wir den Avatar in der Schule gemeinsam mit der Klassenlehrerin Frau Engels und der Förderkreis-Heilpädagogin Frau Dick probeweise eingerichtet. Das klappte nach kurzen Startschwierigkeiten schon recht gut!

 

Im Anschluss an den Termin in der Schule haben wir das Gerät zunächst mit nach Hause nehmen dürfen, um es dort spielerisch kennenzulernen. Mia probierte es von beiden Seiten“ aus, auf ihrem iPad als auch am Avatar.

 

Mia war zwar auch nicht frei von Skepsis, fand den Avatar aber interessant und war gespannt darauf, ihn auszuprobieren. Gemeinsam mit der großen Schwester wurde er dann noch mit aufgeklebten Glitzerperlen personalisiert und wieder der Schule übergeben.

 

Wenig später war es dann so weit: Der Avatar durfte erstmals an Mias Stelle am regulären Unterricht teilnehmen. Mia nahm die Datenschutzbestimmungen sehr ernst (und tut das bis heute), so dass wir bei jedem Versuch, den Kopf zu ihr reinzustecken, direkt wieder „rausgescheucht“ wurden. Was wir jedoch an Geräuschkulisse mitbekommen haben, ließ darauf schließen, dass es für Frau Engels eine anstrengende Unterrichtsstunde gewesen sein muss – der Avatar stieß in der Klasse offenbar auf reges Interesse.

 

In den ersten Tagen wurde auch klar, dass die Verbindung ihre Empfindlichkeiten hat. So war der geplante Einsatz in Mias Zimmer suboptimal, da dort das WLAN für Aussetzer sorgte. Die daraus entstandene Lösung hat bis heute ihre Vorteile:  Wir haben Mia einen kleinen Schreibtisch ins Wohnzimmer gestellt, an dem sie am Unterricht teilnimmt und auch überwiegend ihre Hausaufgaben macht. Sie hat damit nun außerhalb ihres Zimmers einen Ort im Haus, an dem sie im wahrsten Sinne des Wortes „zur Schule geht“. Dies hilft ihr, Schule und Freizeit klar voneinander abzugrenzen.

 

Seither verläuft der Einsatz des Avatars sowohl technisch als auch hinsichtlich seines Einsatzes im Unterricht (erstaunlich) reibungslos. Mia macht es Spaß, wieder mit ihrer Klasse in Kontakt zu sein. So ist sie, wenn kein Unterricht stattfindet (etwa in den Ferien) offenkundig enttäuscht. Und als ich neulich einmal ihren Schul-Einsatz vergessen hatte und sie sich erst kurz vor Schulschluss einwählen konnte, waren ihre Worte: „Es tut mir so leid, dass ich so spät zur Schule gekommen bin.“ „Zur Schule gekommen“ also – für Mia ist das inzwischen ein „Zur-Schule-Gehen“ mit dem Avatar!

 

Von Anfang an und bis heute wird sie von der Klasse mit einem lauten „Guten-Morgen“-Ruf begrüßt, wenn sie sich zuschaltet, und nimmt gerne und aktiv am Unterricht teil. Und auch wenn die Klasse sich verabschiedet, schallt dies durch das ganze Haus.

 

Auch für die Schulklasse ist der Avatar schlicht „die Mia“. Unkompliziert, wie Grundschulkinder noch sind, hat die Klasse den Avatar schnell angenommen. Wenn Mia sich verbindet, gehen die Augen des Avatars an, und es ertönt ein leises Geräusch, durch das die Kinder mitbekommen, wenn „Mia in die Klasse kommt“. Wenn der Avatar noch nicht bereit ist, weisen die Kinder Frau Engels darauf hin: „Frau Engels, wir müssen die Mia noch holen!“. Als sei das Gerät Mia höchstselbst.

 

Auf den Schulhof oder zu Außen-Events könnte man den Avatar grundsätzlich auch mitnehmen. Davon haben wir und die Schule abgesehen. Zunächst einmal war niemandem so recht wohl bei dem Gedanken, dass ein Gerät dieser Preisklasse von Grundschülern außerhalb der Schule herumgetragen wird. Vor allem aber wäre das Thema Datenschutz, das mit der Klasse gut geregelt ist, schulweit und erst recht bei Beteiligung Dritter kaum in den Griff zu bekommen.

 

Anfangs hat Mia aber oft die Pausen mit kleinen Gruppen von Mitschülern verbracht, die dazu im Klassenraum geblieben sind und sich mit Mia unterhalten haben. Mia ist durch den Avatar in der Klasse präsent geblieben bzw. nach den Monaten im Krankenhaus wieder geworden.

 

Kurz vor den Sommerferien haben wir die Klasse dann noch einmal persönlich auf dem Schulhof treffen dürfen. Um mit Mia zu spielen und sie noch einmal „in echt“ zu sehen, sind die Klassenkameraden außerhalb der Pausenzeiten auf den Schulhof gekommen. Dass ein solcher Kontakt zur Schule noch da wäre, ohne dass wir den Avatar im Einsatz gehabt hätten, ist zumindest in dieser Form wenig wahrscheinlich.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Es funktioniert! Für Mia ist der Avatar eine tolle Möglichkeit, am normalen Unterricht teilzunehmen und den Kontakt zur Klasse zu halten. Sie wird mit einem guten Zeugnis in die dritte Klasse versetzt, nachdem sie das zweite Schuljahr seit Anfang August letzten Jahres außerhalb der Schule bewältigen musste. Dass der Einsatz des Avatars für Mia ein voller Erfolg war und ist, hängt ganz maßgeblich mit der tollen Kooperation mit der Schule und dem außergewöhnlichen Engagement und Pragmatismus von Schul- und Klassenleitung zusammen. Der Avatar, der zweifellos mehr Komplexität und Arbeit verursacht, wurde nie als lästig empfunden, sondern er war von Anfang an gern gesehen und wurde freudig und mit großem Einsatz angenommen und so erst wirklich zu einem Hilfsmittel mit großem Nutzen für Mia gemacht. Und dieser Nutzen ist dann am Ende das investierte Geld wirklich wert gewesen. Wir danken an dieser Stelle ganz herzlich Basketball Aid, denn nur durch diese Spende wurde es möglich: ein Avatar für Mia!

 

Klaus Janßen